Änderungen bei Elternkarenz und -teilzeiten ab 1.11.2023
Die europäische Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige bringt ua bei Elternkarenzen und -teilzeiten, Motivkündigungsschutz und Pflegefreistellung einige Änderungen mit sich:
Elternkarenz
Der Grundanspruch der Karenz im Fall der ausschließlichen Inanspruchnahme durch einen Elternteil wurde um zwei Monate reduziert und besteht nunmehr bis zum Ablauf des 22. Lebensmonats des Kindes.
Anspruch auf Karenz bis zum Ablauf des 24. Lebensmonats haben aber weiterhin alleinerziehende Elternteile, also wenn der zweite Teil nicht vorhanden ist oder nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Auch wenn der zweite Elternteil keinen Karenzanspruch hat, ist eine Karenz bis zum Ablauf des 24. Lebensmonats des Kindes möglich, wenn sie später angetreten und frühestens zwei Monate nach dem Ende des absoluten Beschäftigungsverbots gemeldet wird.
Bei einer Teilung der Karenz zwischen den Elternteilen ist ebenfalls weiterhin bis zum Ablauf des 24. Lebensmonats des Kindes Karenz möglich. Nehmen die Elternteile aber einen Monat überlappend, endet die Karenz einen Monat früher.
Für die aufgeschobene Karenz – also die Möglichkeit, drei Monate der Karenz bis zum Ablauf des siebenten Lebensjahres des Kindes oder aus Anlass des späteren Schuleintritts zu verbrauchen – hat der Gesetzgeber eine schriftliche Begründungspflicht des Arbeitgebers bei Ablehnung des Antrittszeitpunktes sowie einen eigenen Motivkündigungsschutz geschaffen. Der Arbeitnehmer kann schriftlich – zur Beurteilung der Chancen einer Bekämpfung – binnen fünf Tagen ab Zugang der Kündigung eine schriftliche Begründung für die Kündigung verlangen.
Elternteilzeit
Bisher waren Elternteilzeiten beim Anspruch (Erfüllen der Voraussetzungen betreffend Beschäftigungsdauer und Betriebsgröße) bis zum Ablauf des 7. Lebensjahrs des Kindes und ohne Anspruch (vereinbarte Elternteilzeit) bis zum Ablauf des 4. Lebensjahrs des Kindes möglich. Nun wurde der äußerste Zeitrahmen für die Elternteilzeit für beide Formen auf das 8. Lebensjahr des Kindes ausgeweitet. Dabei ist zwischen den beiden Varianten zu unterscheiden:
– Beim Anspruch auf Elternteilzeit ist die Dauer auf sieben Jahre beschränkt und das Beschäftigungsverbot nach der Geburt und Karenzen beider Eltern sind davon abzuziehen, der Zeitraum zwischen der Vollendung des 7. Lebensjahres und dem späteren Schuleintritt des Kindes wiederum hinzuzurechnen.
– Bei der vereinbarten Elternteilzeit gibt es keine Begrenzungen der Dauer – sie steht auch Eltern offen, die den Anspruch “aufgebraucht” haben. Hier gibt es aber nun – mit Blick auf die dem Arbeitnehmer in dieser Variante der Elternteilzeit aufgebürdeten Durchsetzungsobliegenheit vor Gericht – eine aktive, schriftliche Begründungspflicht des Arbeitgebers bei Ablehnung.
Der Motivkündigungsschütz bei länger als bis zum 4. Geburtstag des Kindes dauernden Elternteilzeiten (vorher besteht ein besonderer Kündigungsschutz) wird ebenfalls durch einen Anspruch auf Begründung einer Kündigung gestärkt. Arbeitgeber müssen nun auf schriftliches, binnen fünf Tagen ab Zugang der Kündigung zu stellendes Verlangen der Beschäftigten eine schriftliche Begründung der Kündigung ausstellen.
Pflegefreistellung
Der im Urlaubsgesetz geregelte Anspruch auf Pflegefreistellung steht Beschäftigten bei den aufgezählten nahen Angehörigen nunmehr auch dann zu, wenn diese nicht im gemeinsamen Haushalt leben (nur bei Kindern des Ehegatten, Partners oder Lebensgefährten ist der gemeinsame Haushalt hier erforderlich). Dazu kommt nun auch ein Anspruch auf Freistellung zur Pflege von Personen, die mit dem Arbeitnehmer im gemeinsamen Haushalt leben – unabhängig davon, ob sie nahe Angehörige sind. Das Erfordernis des gemeinsamen Haushaltes ist daneben auch bei der Begleitung schwerstkranker Kinder gefallen.
Auch bei der Pflegefreistellung hat der Gesetzgeber einen ausdrücklichen Motivkündigungsschutz und zu dessen Absicherung einen Anspruch der Beschäftigten auf schriftliche Begründung einer Kündigung (zu verlangen binnen fünf Tagen ab Zugang der Kündigung) geschaffen.
Weitere Stärkung des Motivkündigungsschutzes
Auch der im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz für Betreuungsteilzeiten sowie Pflegekarenz und -teilzeit nach diesem Gesetz vorgesehene Motivkündigungsschutz wurde durch das Schaffen eines Anspruches auf Begründung einer Kündigung (geltend zu machen binnen fünf Tagen ab Zugang der Kündigung) ergänzt. Daneben müssen Arbeitgeber künftig auch einen Schritt vorher schon die Ablehnung einer solchen Teilzeit oder Karenz aktiv sachlich und schriftlich begründen.
Hemmung Verjährungs- und Verfallsfristen
Der Ablauf von laufenden gesetzlichen, kollektivvertraglichen und vertraglichen Verjährungs- und Verfallsfristen betreffend Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die Beschäftigte zu Beginn bestimmter Freistellungen, Karenzen und Abwesenheiten bereits erworben haben, wird nunmehr bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Ende der Freistellung, Karenz oder Abwesenheit gehemmt (nicht unterbrochen!). Arbeitnehmer sollen so ihre Ansprüche nicht bereits am ersten Tag nach Rückkehr, an dem andere Angelegenheiten im Vordergrund stehen werden, geltend machen müssen.
Gleichbehandlungsgesetz
Im Gleichbehandlungsgesetz wurde als ausdrückliches Ziel neben der Gleichstellung von Frauen und Männern auch die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben von Eltern sowie pflegenden Angehörigen aufgenommen. Konsequenterweise soll daher nunmehr eine Diskriminierung auch dann vorliegen, wenn eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwar nicht wegen des Geschlechts aber in Zusammenhang mit
– Elternkarenz, Elternteilzeit sowie Änderung der Lage der Arbeitszeit nach dem MSchG oder dem VKG sowie Papamonat;
– Freistellung nach § 8 Abs 3 des AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB, bei dringenden familiären Dienstverhinderungsgründen, wenn eine Erkrankung oder ein Unfall die unmittelbare Anwesenheit erfordern;
– Pflegefreistellung im Sinne des § 16 Abs 1 bis 4 UrlG;
– den Rechten aus Betreuungsteilzeit, Familienhospizkarenz, Pflegekarenz und Pflegeteilzeit nach dem AVRAG
erfolgt.
Gerade die Regelungen zu Karenzen und Elternteilzeiten wurden zwar durchaus im Sinne der Beschäftigten verbessert, aber leider keineswegs einfacher und verständlicher. Es empfiehlt sich die genaue Prüfung in Anlassfällen und jedenfalls eine wohl überlegte Formulierung der allenfalls erforderlichen Begründung von Kündigungen, um Kündigungsanfechtungen nicht durch schlechte oder unbedachte Formulierung überhaupt erst zu ermöglichen.
Für Hinweise dazu, was konkret zu beachten ist sowie zur Unterstützung bei der praktischen Ausgestaltung stehen wir gerne zur Verfügung.
Kontakt
Dr. Patricia Burgstaller │ patricia.burgstaller@bpr.at │ +43 1 532 85 80 │ LinkedIn